Gulasch-Marketing

Besserwisser?

Mitte der 1980er Jahre unternehmen Ellen (meine damalige Freundin) und ich mehrere Kurzreisen in den für uns damals noch unbekannten Osten.  Ljubljana, Prag, Budapest. Tolle Städte! Vor allem Budapest hat es mir angetan. Beinahe mediterranes Klima, und für damalige Verhältnisse ein sehr lockeres gesellschaftliches Leben. Belebte Altstadt mit Straßenmusikern, schicken traditionsreichen Cafés und modernen Shoppingzonen. Die Menschen sind aufgeschlossen, kommunikativ und herzlich. Nicht umsonst nennt man Ungarn damals „Die fröhliche Baracke  des Ostens“.

Bei einer unserer Budapest-Reisen mokiere ich mich während der Autofahrt über den ungarischen Sender im Autoradio. Er ist deutschsprachig und heißt „Radio Danubius“. Zielgruppe sind anscheinend DDR-Touristen. Die Art, mit den Hörern zu reden ist grottenschlecht. Das fällt besonders extrem bei den Werbeeinspielungen auf. Ich schüttele den Kopf. Das Land ist doch ansonsten recht sympathisch und modern. Warum dann so ein dilettantischer und altmodischer Mist?

Ellen reagiert recht nüchtern auf meine Flüche: „Dann sag ihnen doch, wie es besser geht!“ Erst lache ich laut auf, dann stutze ich, weil ich mich frage, ob sie mich vielleicht als Besserwisser abkanzeln will. Aber dann denke ich: Warum eigentlich nicht? Es könnte ein unterhaltsamer Spaß werden!

Willkommensgruß Kalaschnikow

Der Eingang zum alten Villengebäude, in dem sich der Staatssender befindet, wird von zwei Soldaten mit Maschinenpistole im Anschlag bewacht. Ich äußere mein Anliegen und nach langem Hin und Her verschwindet einer von ihnen schließlich in der Villa, während der andere mich auffordert zu warten. Irgendwann werde ich endlich eingelassen.

 Ich werde in ein Büro geführt, in dem eine Frau sitzt, die sehr gut deutsch spricht. Sie ist die Sendeleiterin. Ich erkläre ihr, warum ich hier bin. Was da im Sender für die Touristen läuft kann man besser machen. Damit es nicht einfach nur nach Gemeckere klingt, gebe ich auch Beispiele, wie man es tatsächlich besser machen könnte. Sie hört mir aufmerksam zu, und nachdem sie mich schweigend eine Weile ansieht, sagt sie: „Wir beginnen gerade erst mit all dem. Wir müssen noch sehr viel lernen.“ Ich bin perplex! Das klingt nach einem unerwarteten Volltreffer! Sie sagt, sie müsse es mit ihren Vorgesetzten besprechen und bittet mich, in zwei Tagen wiederzukommen.

Au weia!

Natürlich bin ich zwei Tage später wieder da und die Soldaten am Eingang winken mich diesmal direkt durch. Die Frau erklärt mir, dass mein Vorschlag positiv aufgenommen wurde. Ich könne meine Ideen einbringen. Bedingung sei aber, dass ich ein Trainee im Sender durchlaufe und auch nach Budapest ziehe.

Meine Güte! Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet! Ich wollte doch nur mal Vorschläge machen und gucken, was passiert! Aber es ist natürlich  reizvoll! Überaus reizvoll! Andererseits hieße es aber auch, Duisburg zu verlassen, wo meine Theatergruppe gerade erste Erfolge feiert. Die Schauspielgruppe aufzulösen hieße, etliche engagierte junge Leute zu enttäuschen. Ist es das wert? Diese Idee vom Gulasch-Marketing ist doch eigentlich nur ein Gag. Ich sage, dass ich darüber schlafen wolle und klopfe beim Hinausgehen den Soldaten auf die Schulter.

Draußen atme ich tief durch und bin letztendlich froh, dass wir morgen wieder zurück nach Duisburg fahren!

 

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